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Ahnenforschung Birgit Hüttebräucker

Ein altes Haus erzählt seine Geschichte

Hallo lieber Leser. Schön dass du dich für meine Geschichte interessierst. Aber ich muss dich an dieser Stelle schon warnen. Ich bin sehr alt, und alte Leute wissen viel zu erzählen. Darum ist die Geschichte ein bisschen länger.

Zuerst möchte ich mich vorstellen.

Mein offizieller Name in den Akten lautete früher Flur XII 708/210. Heute ist das etwas verkürzt. Ich stehe in dem schönen Ort Herscheid im Sauerland. Angeblich wurde ich vor vielen Jahren „Karlshöhe“ genannt, ob das stimmt, ist mir nicht bekannHaus altt. Ebenso wenig bekannt ist mir mein genaues Erbauungsdatum. Im Alter wird man ein bisschen vergesslich und man erinnert sich an manche Dinge nicht mehr richtig. Auf jeden Fall bin ich in diesem Jahr (2007) mindestens 109 Jahre alt. Vermutlich bin ich einige Jahre älter aber selbst meine heutigen Besitzer konnten, trotz intensiver Nachforschungen, mein Baujahr noch nicht herausfinden. Es ist möglich, dass ich irgendwann kurz nach 1870 gebaut wurde. Im Laufe der Jahre bin ich immer wieder ein Stück gewachsen. Seit 1912 nennt man mich „Auf dem Kamp“  Dieser Name kam dadurch zustande, dass mein damaliger Besitzer Wilhelm Cramer, bevor er mich kaufte, in der Kampstraße gewohnt hat. Kurzerhand zog der Name mit ihm zu mir.

Meine Geschichte fängt damit an, dass in einer dunklen Ecke auf meinem Dachboden, ziemlich versteckt, eine alte Holzkiste stand, in der viele alte Papiere lagen. Irgendwann stöberte die junge Frau, die hier zurzeit im Haus wohnt, in meinen Ecken herum und fand diese Kiste. Komisch - sie hat sich über diesen Fund richtig gefreut, dabei waren es doch nur alte Unterlagen. Auf einem dieser Blätter, sie nannte es einen Hypothekenbrief, stand geschrieben dass mich im Jahr 1898 der Kaufmann Franz Mayer aus Plettenberg gekauft hat. Lange scheint er nicht in mir gewohnt zu haben denn als nächster Besitzer wurde Wilhelm Naber aus Herscheid genannt. Leider war nicht angegeben, wie lange dieser in meinen Mauern wohnte. Im Jahr 1912 kauft mich der Bäcker Wilhelm Cramer aus Herscheid. Im gleichen Jahr baute er ein Stück an meine Grundmauern an und dort wurden neben 2 kleinen Zimmern eine Backstube und ein Mehllager errichtet.

Dies ist auch der Zeitpunkt, an dem allmählich meine Erinnerung einsetzt.

Plötzlich roch es in meinen Mauern nach frisch gebackenem Brot, und Gebäck. Ach war das herrlich. Und auch im Winter fror ich nicht so stark, weil die Wärme des Backofens sich ausbreitete. Viele Menschen kamen und kauften die Leckereien und so hörte ich immer wieder Neuigkeiten.

Natürlich bekam ich auch mit, dass eine Tochter des Hauses mit dem Nachbarsjungen liebäugelte. (Oder er mit Ihr)? Ich konnte das Haus „Auf dem Zeltplatz“ in dem er wohnte von meinem Standort aus sehen. Also besser gesagt: „wir waren Nachbarn“. Dieser Bursche, er hieß Wilhelm Hüttebräucker“ erlernte in Lüdenscheid das Bäckerhandwerk und kam als Geselle in dieses Haus. Es kam wie es kommen musste und Wilhelm und Hilde heirateten und übernahmen das Geschäft.

Es war ungefähr um das Jahr 1939 als die beiden auf die Idee kamen, an das Wohnhaus ein kleines Ladenlokal zu bauen. Wilhelm Cramer war davon nicht begeistert denn so etwas Neumodernes war nicht nötig. Also brachte er, als Zeichen seines Unmutes, seine Backwaren aus der Backstube nur bis in den Vorraum des Ladens. In den neuen Verkaufsraum ging er erst einmal nicht.

Laden alt

Wilhelm und Hilde bekamen einen Sohn mit dem Namen Dieter Wilhelm, der später den Beruf Bäcker und Konditor erlernte. Ich fand das sehr erfreulich denn so war gesichert, dass ich weiterhin den Duft der Köstlichkeiten genießen durfte. 

Laden innenDiese nächste Bäckergeneration, also Dieter W. Hüttebräucker und seine Ehefrau Edeltraud übernahmen 1961 das Geschäft. Auch sie bekamen einen kleinen Sohn, dem sie den Namen Edgar gaben und für mich war klar, dass er wieder ein Bäcker wurde. 1963 war es, als ich die Stimmen meiner Besitzer hörte und sie planten wieder etwas Neues. Dieser kleine Ladenanbau sollte renoviert werden. Ich überlegte ob wohl jede Generation etwas an mir ändern wollte. Als ich die Gespräche verfolgte, sah ich ein, dass es sein musste. Die Handwerker rückten an, und die kleine Bäckerei wurde moderner. Oh, nun konnte man auch viel mehr Lebensmittel, wie Obst und Gemüse dort kaufen. Und sogar eine Kühltruhe gab es. Nun hatte ich einen schönen kleinen „Tante Emma Laden“ an meinen Mauern.

 

Die Zeit verging und ich hörte und sah in meinen Zimmern viel Freud aber auch Leid. Menschen kamen und Menschen gingen. Dann begann eine Zeit, in der mir seltsame Wörter zu Ohren kamen. Und ich überlegte, was ein Supermarkt oder eine Umgehungsstraße ist. Meine Besitzer sprachen davon, dass es sich nicht mehr lohnt zu backen weil die Menschen nun in größeren Geschäften einkaufen. Ich wollte aufschreien: „ Nein ich will weiterhin den Geruch von Brot und Gebäck in mir haben“! Aber natürlich konnte ich das nicht und so kam es wie es kommen musste. Meine Hoffnung dass der, mittlerweile große Sohn von Edeltraud und Dieter, auch Bäcker wird, war zunichte. Im Dezember 1981 rückten die Handwerker an und zerlegten den wunderschönen Backofen in seine Einzelteile. Ich traute meinen Wänden nicht, als ich das Hämmern und Bohren hörte. Und was kam dann? Noch mehr Handwerker kamen. Fenster wurden gebrochen, Wände hochgezogen und plötzlich hatte ich eine nette kleine neue Wohnung. Dort wo sonst der Bäcker mit seinen Gesellen sprach, hörte ich plötzlich Stimmen aus einem Fernseher.

Sieben weitere Jahre vergingen bis ich die nächste schlechte Nachricht hörte. Meine Besitzer Dieter und Edeltraud entschieden sich den Tante-Emma-Laden zu schließen. Ich verstand das nicht. Ich habe zwar gemerkt, dass nicht mehr so viele fremde Menschen in meinen kleinen Ladenanbau kamen, aber ich dachte doch, dass es irgendwie weitergeht. Wo waren die Leute plötzlich? Ich hörte, dass viel mehr Menschen in diesen Supermarkt gingen. Ich hätte mir so ein Haus gerne angeschaut aber leider ging das ja wegen meiner Unbeweglichkeit nicht. Also musste ich mich damit zufrieden geben, den Gesprächen meiner Eigentümer zu lauschen. Ich hatte Angst, dass es nun in meinen Wänden still würde. Sie sprachen davon, dass in das kleine Geschäft eine Eisdiele sollte. So etwas kannte ich überhaupt nicht. Irgendwann verstand ich, dass es auch etwas leckeres sein würde. Leider kam ich nie in den Genuss etwas davon zu probieren. 1988 war es dann soweit. Mein kleiner Anbau bekam wieder Leben eingehaucht und es kamen erneut viele Leute.

1989 wurde ich leicht nervös. Edgar, der Sohn von Edeltraud und Dieter, war mittlerweile verheiratet und ich ahnte was passiert, wenn eine Neue Generation erwachsen wird. Er und seine Frau Birgit hatten Pläne. Sie wollten die zwei Wohnungen zu einer umbauen. Vermutlich um mehr Platz für die nächste Generation zu bekommen. Es dauerte nicht lange, da begannen die Arbeiten. Meine Befürchtungen, dass dies eine Größere Angelegenheit würde, bestätigten sich leider. Ein gutes halbes Jahr haben die beiden meine Wände herausgerissen, andere wieder hochgezogen. Die schönen knarrenden Dielenbretter haben sie einfach rausgerissen und dann (Igitt) eine Matsche, die sie Estrich nannten, in mich fließen lassen. Ich habe mir damals vorgenommen, dass ich ihnen irgendwann zeige wer der stärkere ist.

Allerdings muss ich heute zugeben, dass die beiden mein Innenleben angenehm verändert haben.

1993 gibt es wieder Neues Leben im Haus. Edgar und Birgit bekamen einen kleinen Sohn. Oh wie schön, jetzt lebten 4 Generationen unter meinem Dach. Das war oft sehr interessant. In diesem Jahr wurden die beiden auch meine Hausherren.

Einen kleinen, undramatischen Wechsel, gab es im Jahr 1996. Da wechselte der Besitzer der Eisdiele. Aber das ging ganz unkompliziert ohne Handwerker und das übliche hämmern und bohren. Das Eis, das aus meinem kleinen Anbau heraus verkauft wird, musste sEisdieleehr gut sein, denn die Menschen standen oft Schlange um es zu bekommen. Komisch fand ich immer, dass es nur in der Zeit von März bis Oktober dieses Eis gab. Ich fragte mich, ob das im Winter nicht schmeckt?

Ich nutzte die Winterzeit, in der keine fremden Menschen ins Haus kamen und hörte der Familie zu. Mit Freude vernahm ich 1999 dass noch eine kleine Bewohnerin in meine vier Wände Einzug gehalten hat. In diesem Jahr bekamen Edgar und Birgit eine kleine Tochter. Sie war nun die jüngste und die Ur-Oma war mit 88 Jahren die älteste Bewohnerin in mir.

Meine beiden jungen Eigentümer machten mir allerdings Sorgen. Schon wieder planten Sie an mir herumzu bauen. Angenehm fand ich ja, dass ich im Jahr 2000 ein Neues Teil bekommen sollte. Der Raum, der früher ein Stall war, diente der kleinen Familie als Küche. Aber für 4 Personen war es zu eng. Schwuppdiwupp wurde wieder eine Wand herausgerissen und der Raum vergrößert. Das gefiel mir sehr gut.

Weniger gut fand ich, dass die beiden nun auch an meinen Kopf wollten. Sie wollten den Dachboden renovieren. Aber allmählich wurde ich es leid und als sie auch dort meine schönen alten Dielen herausreißen wollten habe ich sie mit einer riesigen Fläche „Ollern“ überrascht. Nun möchtest du, lieber Leser, sicher wissen was Ollern ist? Das ist eine wunderbare dicke Lehmschicht, auf der mit Stroh umwickelte Bretter liegen. Es ist ein sehr guter und natürlicher Dämmstoff und wurde früher auch als Brandschutz verwendet. Nun hatte ich die beiden tatsächlich ans Grübeln gebracht. Sollten sie den „Ollern“ komplett herausnehmen oder nicht? Ich war gespannt ob die beiden sich das antun würden. Nachdem der junge Hausbesitzer mit einem Bein durch die Decke in das darunter liegende Zimmer einbrach, war die Frage beantwortet. Die Lehmschicht blieb drin und ich hatte meine Ruhe. Trotzdem muss ich zugeben, dass die beiden mich verschönert haben. Der Fußboden wurde mit Verlegeplatten herausgeputzt und das Dach isoliert. Nun fror ich auch nicht mehr so am Kopf.

Dach 1Dach 2

 

 

 

 

 

 

 

Aber nach wie vor, wollte ich den beiden zeigen, wer hier der Chef ist. Und das habe ich im Herbst 2006 gemacht. Dort wo früher das Mehllager war, hatten meine jetzigen Besitzer ihr Schlafzimmer. Genau über dem Bett habe ich einen Balken morsch werden lassen. Natürlich nur ganz vorsichtig und so, dass man mit der Zeit sehen konnte das hier etwas nicht stimmt. Die junge Frau hatte diese Stelle schon einige Zeit argwöhnisch beobachtet und als sie wieder mal in dem Raum stand, habe ich es mal knacken lassen. Ich wollte sie nur erschrecken. Und was macht sie? Sofort ruft sie ihren Mann und anschließend einen Zimmermann an. Als der kam und sich den Schaden ansah waren alle erschrocken. Ich muss ja zugeben, dass ich vielleicht etwas übertrieben habe. Ich hatte auch nicht daran gedacht, dass an dieser Stelle anstatt „Ollern“ eine große Menge Aschebeton lag. Ich sehe ein, dass es sehr gefährlich war und die beiden hätten darunter begraben werden können. So nahm ich es hin, dass in diesem Raum meine komplette Zimmerdecke entfernt, der Aschebeton entsorgt, und eine Neue Zimmerdecke eingezogen wurde. Mit der Arbeit und dem entsetzlichen Dreck hatten die beiden nicht gerechnet und vor allem hatten nicht sie diesen Umbau geplant sondern ich! Im Stillen hoffe ich, dass die beiden vom Renovieren an meinen Mauern nun die Nase voll haben und erst die nächste Generation wieder damit beginnt.

Schlafzimmer

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2014 und ob ihr es glaubt oder nicht - es geht schon wieder los. Vorausgegangen sind zwei Jahre voller Kummer und Sorgen die damit endeten, dass leider wieder eine Generation weniger in meinen Mauern lebt. Während dieser Zeit, merkte ich, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte. Ich hatte häufig so ein feuchtes Gefühl in meinen unteren Wänden. Auch meinen Bewohnern fiel das auf, weil sich in einem Raum so ein seltsamer Geruch entwickelte. Beim Ausräumen dieses Zimmers, dass sich übrigens in meinem ältesten Teil befindet, kam der Grund dann schnell zum Vorschein. Im Laufe vieler Jahrzehnte, hatte sich an meinen Grundmauern Feuchtigkeit gesammelt. Meine Hausherren hatte soetwas schon geahnt und waren auch nicht besonders überrascht, als sie zu meinen “Füßen” nur dicke Eichenbalken und Lehmboden fanden. Das sah recht interessant aus und witzigerweise war meine Bewohnerin Birgit, mal wieder ganz entzückt und machte sich in dem Dreck auf die Suche nach irgendwelchen alten Dingen. Das Ergebnis waren dann drei alte Geldstücke wovon das älteste aus dem Jahr 1870 stammte, jede Menge krumme Nägel,einige alte Knöpfe, ein tief in der Erde liegendes Rohr von dem niemand weiß welchem Zweck es diente und einem altertümlichen Fliesenspiegel im Fußboden. Es sah ganz schön übel in dem Zimmer aus und für meine Bewohner war klar,dass hier ein Fachmann benötigt wurde. Und als der kam, hörte ich Worte wie “Kernsanierung”, Bohrlochkette, Trockenestrich und ich konnte nichts damit anfangen. Das schlimmste was ich hörte war jedoch: “Bis auf die Grundmauern alles rausreißen.” Das konnte nichts Gutes bedeuten und dann ging es, im wahrsten Sinne des Wortes, Schlag auf Schlag. Nach einigen Monaten wurde es ein bisschen ruhiger und ich merkte das dieser komische Geruch und die Feuchtigkeit verschwunden waren. Es ist ein sehr angenehmes Gefühl und das Zimmer erstrahlt mittlerweile in neuem Glanz.

Ein bisschen traurig war ich, als meine schönen Eichenbalken herausgerissen wurden und auf dem Müll landeten. Nun ja, - sie waren nicht wirklich mehr schön aber teilweise noch gut erhalten. Heute bin ich darüber nicht mehr traurig, denn es sollte ganz anders kommen. Auf dem Platz vor meinen Mauern stand so ein großer Behälter aus Metall. Meine Bewohner nannten das Ding “Container” und da kam alles rein was nicht mehr benötigt wurde. Eines Tages kam ein Frau und sah meine alten Eichenbalken und hat meine Besitzer gefragt ob sie diese haben könnte. Klar, das war kein Problem. Es hat mich zwar etwas gewundert aber ich habe mir nichts dabei gedacht. Irgendeinen Sinn würde das ganze ja haben und mittlerweile weiß ich auch welchen Sinn es hatte.  Ich habe nämlich vor einiger Zeit Post bekommen! Ja!! ihr hört richtig! Ich - das alte Haus habe zum erstenmal einen Brief bekommen. Und da er so schön war, soll er an dieser Stelle für jeden lesbar sein!

Wir sind im Jahr 2017 angekommen und es ist Spätsommer. Seit Tagen habe ich einen “Ohrwurm”. Ein Schlager geht mir nicht aus dem Kopf. Da heißt es: Ich glaub' es geht schon wieder los - das darf doch wohl nicht wahr sein ..........

Seit dem chaotischen Jahr 2017, in dem es nochmals eine Großbaustelle in meinen Mauern gab, die alle Beteiligten nochmals richtig Nerven gekostet hat, ist mittlerweile Ruhe eingekehrt über die sich alle Beteiligten freuen.

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Durch den Einzug netter Mieter, ist es im Haus jetzt auch wieder lebhafter geworden. Ob meine Geschichte hier endet - oder ob sie vielleicht irgendwann fortgeführt wird - Wer weiß??

 Euer altes Haus.

 

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